Chinas_neue_Seidenstrasse_783956012242_3D_RGB_648pxDie neue Seidenstraße des 21. Jahrhunderts will den friedlichen Handel in einer globalisierten Welt erleichtern und zugleich Interessen in einem veränderlichen Kräfteverhältnis markieren. Der Neueinsteiger ins Seidenstraßenprojekt findet in dem Buch die wichtigen Planungen und Zwischenstadien kompakt aufbereitet. Kapitel 2 führt beispielsweise die vielen Einzelinitiativen, sei es die Beteiligung an Hafenanlagen oder Modernisierung von Eisenbahnlinien und Infrastrukturen, die zunächst im Rahmen bilateraler Projekte entstanden, zusammen und zeigt, dass sie alle Teil des chinesischen Traums vom weltumspannenden friedlichen Handel entlang der neuen Seidenstraße(n) sind, an dem jeder Teilhaber nur gewinnt, wie China immer betont.

Seidenstraße – allein das Wort evoziert Bilder von orientalischen Basaren, Karawanen und exotischen Waren. Dazu hat sich auch Angela Merkel bekannt, die den Namen der 2015 beschlossenen europäischen Seidenstraßen-Initiative eher spröde findet: „Wie [kann] man einem so schönen Wort wie Seidenstraßen-Initiative das Wort Konnektivitätsplattform entgegensetzen […]. Darauf muss man erst einmal kommen.“ Der Anhang geht diesem Klang ein wenig nach und ist dem Forschungsstand zur historischen Seidenstraße gewidmet. Leider nimmt es der Autor in teilweise langen, zu verschachtelten Sätzen nicht immer so genau mit dem Forschungsstand: Wenn die Xiongnu mit den Hunnen gleichgesetzt oder Xinjiang zur Han-Zeit als chinesisch bezeichnet wird, um gleich darauf von tributpflichtigen Königtümern zu sprechen. Xinjiang war auch nicht nur von Chinesen besiedelt. Eine nicht chinesisch aussehende Mumie deshalb als Beweis für den Handel und frühe Völkervermischung anzuführen erscheint doch fragwürdig. Spaß macht die Lektüre dort, wo sie mit Erlebnisberichten und Aufzeichnungen (S.170 ff) angereichert ist.

Leider sind die wenigen im Buch enthaltenen Grafiken im Miniaturformat abgedruckt. Karten-oder Bildmaterial zur historischen Seidenstraße und dem Projekt der neuen Seidenstraße hätten die Lektüre bestimmt aufgelockert. Aber Chinas neue Seidenstraße ist ein Wirtschaftsbuch und bedient alle Vorurteile, die man haben könnte.

Kommen wir noch kurz zum Titel: Das Buch heißt nicht Die neue Seidenstraße, es heißt Chinas neue Seidenstraße. Das von Xi Jinping 2013 verkündete One Belt One Road-Projekt, so ein anderer gängiger Name, entstand nicht im luftleeren Raum. Überlegungen den Handel entlang der alten Seidenstraße neu zu beleben gab es nicht nur in China. In den 1990er Jahren tagte die europäische Union über das TRACECA-Projekt (Transport Corridor Europe-Caucasus-Asia), 2008 gab es Putins Vision einer Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok und bereits 1999 hatte der ehemalige sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse sein Buch Die neue Seidenstraße veröffentlicht. Politische Entwicklungen, die Finanzkrise von 2008, Missgunst und fehlende Tatkraft führten die Ideen nie zur Umsetzung. Und nun also China, die wiedererstarkte Großmacht, ein Land, dem langfristige Pläne und Megaprojekte nicht fremd sind, krempelte die Ärmel hoch und reklamiert die Idee für sich. Statt mitzumachen, wird oft kleingeredet und von Vergrößerung der chinesischen Einflussspäre gesprochen. Von einer solchen Reduktion des Seidenstraßen-Projektes auf eine geopolitische Eroberungsstrategie Chinas distanzieren sich die Autoren (S.97). Kapitel 3 und 4 lesen sich dann auch à la Amazing China. Natürlich versprach China in Afrika und Mittelasien Infrastruktur für Bodenschätze und auch das ist Teil der vielzitierten win-win-Situation. Wer nicht mitmacht, gewinnt gar nichts. Gänzlich beiseite gelassen werden in dem Buch die Gefahren einer ideologischen Einflussnahme. Aber die neue Seidenstraße ist erst im Entstehen begriffen und der weltumspannende Austausch auf ihr eine Vision, von denen unsere Zeit nicht viele hat.

Wolf D. Hartmann, Wolfgang Maennig, Run Wang: Chinas neue Seidenstraße: Kooperation statt Isolation – Der Rollentausch im Welthandel, 214 S., € 19,90.

Eine Vision für’s 21. Jahrhundert: Kooperation statt Isolation