Pak und Hoi, zwei Männer zwischen sechzig und siebzig, sind Musterbeispiele des fürsorglichen Familienpatriarchen. Ihre Begegnung aber zaubert ein Lächeln auf ihre Gesichter, und wenn sie sich näherkommen, erröten sie. In ihrem Alltag bekommen sie die Enge und Ablehnung der Gesellschaft zu spüren. Trotzdem nehmen sie sich die Freiheit romantisch und verliebt zu sein. Warm und feinfühlig hinterfragt Suk Suk das Recht auf Liebe im Alter.

Ich freue mich sehr, am Vorabend der Berlinale mit Ray Yeung über die Probleme einer späten schwulen Liebe in einer chinesischen Familie zu reden.

Sie kannten zunächst Travis Kongs „Oral History of Older Gay Men in Hong Kong“. Wie aber kam es dann zu dem Film?

Travis Kong ist ein Freund von mir. In seinem Buch wurden ältere homosexuelle Männer zwischen 60 und 80 interviewt – dieses Thema gab es im Film bislang noch nie. Mit einigen habe ich mich getroffen und stieß darüber auf die Selbsthilfegruppe „Gay and Grey“. Das Drehbuch schließlich entstand aus einer Mischung der Gespräche mit ihnen und meiner eigenen Vorstellung.

Die Gefühle der Familienmitglieder im Film sind alle sehr kontrolliert…

Ich wollte eine liebe-und verantwortungsvolle Atmosphäre innerhalb der Familien zeigen, die es den beiden schwer macht, das alles aufzugeben. Den sprichwörtlichen Elefant im Zimmer, von dem zwar alle wissen, aber von dem niemand spricht, sollte man sehen. Die Heirat von Paks Tochter ist eine Hommage an Ozu, den ich liebe, denn dass der Vater seine Tochter verheiratet ist ein wichtiges Element in seinen Filmen.

Die im Film dargestellte explosive Dramatik trifft man im wirklichen Leben eher selten. Wenn die Leute streiten, dann über weniger wichtige Dinge. Sie vermeiden, das Problem direkt anzusprechen und das besonders in diesem Alter. Genau diese Situation in einer typisch chinesischen Familien wollte ich untersuchen.

Die Schwierigkeit ist, zwischen dem Ich und der Verantwortung gegenüber der Familie zu entscheiden …

Ich habe einige Männer getroffen, die sehr früh schon ihr Coming-out hatten und nie geheiratet haben. Sie wurden von ihren Familien total abgelehnt, sodass sie jetzt auf Organisationen für Homosexuelle oder Sozialhilfe angewiesen sind. Im Westen herrscht die Ansicht, dass man in erster Linie sich selbst gegenüber verpflichtet ist und sein eigenes Leben führen muss. Doch der Preis dafür kann sehr hoch sein. Nachdem ich das gesehen habe, kann ich die Leute, die geheiratet und Kinder bekommen haben, nicht mehr einfach verurteilen. Vielleicht leben sie in einer Lüge, aber die Liebe zwischen ihnen und der Familie ist auch echt.

Wie haben Sie die Vertrautheit zwischen den beiden Darstellern Tai Bo und Ben Yuen hergestellt, die oft durch Blicke und Berührungen kommunizieren?

Ich habe ihnen viel Hintergrund zu ihren Rollen geliefert. Wovor sie Angst hatten waren Küsse und Sexszenen, vor allem Tai Bo, der für Actionfilme und Komödien bekannt ist. Bei der Sauna-Szene habe ich gesagt, sie sollen es wie beim Tanz machen: die Hand auf die Schulter legen, sich nach vorn bewegen, in Brusthöhe zusammenstoßen – das haben wir dann mehrmals geübt bis es nicht mehr peinlich wirkte. Und am Schluss sollten sie die ganze Technik vergessen, was sie auch wirklich gut gemacht haben.

Im chinesischsprachigen Film fehlt die gleichgeschlechtliche Liebe älterer Menschen bisher völlig …

In der chinesischen Kultur gesteht man alten Menschen generell keine Sexualität zu. Wenn sie solche Wünsche haben, hält man das für abnorm, besonders bei älteren Frauen, denn die sollen nur für ihre Familie sorgen. Ich denke, das ist wirklich ein drängendes Thema.

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