ynIY-fxzvcvf83162822017 lief mit Liu Jians Have a nice Day (好极了) erstmals ein chinesischer Zeichentrickfilm im Wettbewerb der Berlinale. Wieder wird ein besonderer Film mit der Auswahl für den Wettbewerb belohnt und damit fortgesetzt, was schon im vorigen Jahr mit dem mysteriös-experimentellen Spielfilm Crosscurrent (长江图) begann.
Have a nice Day erzählt die Geschichte eines Chauffeurs, der seinen Boss um eine Geldtasche erleichtert. Aber nicht nur der Boss ist fortan auf der Jagd nach dem Geld: ob der philosophierende Gangsterboss, ein in die Jahre gekommener Auftragsmörder, vom Überlebenskampf ermüdete Männer und Frauen – wer immer die Tasche gerade in der Hand hat, hält sie fest umklammert, als sei sie der letzte Halt. Die zeitlose Gier des Menschen und die Gegenwart eines verunsicherten Landes im Wandel treffen in diesem Film aufeinander: schwarz, lakonisch und ein bisschen überdreht.
Stilistische Anleihen nimmt er bei der ligne claire mit ihren realistischen Hintergründen und so entsteht ein liebevolles, mit Blick für kleine Details gezeichnetes Bild. „Die Geschichte sollte im heutigen China spielen und ihre Figuren agieren vor eben jenem Hintergrund. Das heißt, auch an diesen hatte ich besondere Ansprüche: wenn nämlich keine Person in der Szene vorkam, sollte allein der Raum erzählen.“ Gerade freut man sich, dass die gezeichneten Straßen tatsächlich aussehen, wie beim letzten Chinabesuch, geht es vorbei an Plakatwänden, denen die Gedanken kurz nachhängen, aber man darf ja den Faden der Geschichte nicht verlieren. Der Regisseur überlässt nichts dem Zufall und hält alle Fäden straff in der Hand.
Have a nice day ist schon der zweite Liu Jian-Film (刘建), der in Europa zu sehen ist. Sein vorheriger Film Piercing I (刺痛我,2010) wurde bereits auf zahlreiche Festivals geladen. Beide Filme entstanden in seinem 2007 gegründeten Studio Le Joy-Animation (乐无边工作室). Liu Jian, Jahrgang 1969, hat zunächst in Nanjing traditionelle chinesische Malerei studiert, bevor er den Film für sich entdeckte. Denn was er erzählen wolle, lasse sich mit nur einem Bild nicht sagen. Er arbeitete mit den Regisseuren Feng Xiaogang (冯小刚) sowie Meng Jinghui (孟京辉) zusammen und zeichnete eine Zeichentrick-Serie für das Fernsehen, bevor er schließlich sein eigenes Studio gründete.
2012 begann Liu Jian das Drehbuch für Have a nice Day zu schreiben, von 2013 bis ’16 zeichnete er. Nicht gerade schnell, wie er zugibt. Aber „ich habe mich um alle Aspekte der Produktion selbst gekümmert, vom Drehbuch und den Film-Dialogen, über das Set-Design bis hin zum Schnitt.“
Als Koproduzent präsentierte Yang Cheng (杨城) neben Liu Jian den Film. Ein chinesischer Produzent unabhängiger Filme, das lässt aufhorchen. Und er ist kein Unbekannter in Berlin. Sein erster Film, den er produzierte, war River Road (家在水草丰茂的地方). Yang Cheng stieß bereits 2013 zu dem Projekt. Aber erst nach Gründung seiner eigenen Produktionsfirma Nezha Bros. Pictures (哪吒兄弟影业公司) im Jahr 2016, als er also alleinige Entscheidungsgewalt hatte, lief die Zusammenarbeit reibungsloser. „Ich will mit jungen Regisseuren, die eine eigene künstlerische Handschrift haben, zusammenarbeiten und für ihre Filme Möglichkeiten der kommerziellen Auswertung finden.“ Die Zukunft chinesischer Arthouse-Filme sieht er durchaus optimistisch. Damit der Kinomarkt weiter wächst, brauche es künstlerische Vielfalt. Abseits der großen Filmproduktionen gebe es viele junge Firmen, die genau diese Lücke schließen wollen. Man stehe erst am Anfang, aber Filme wie Kaili-Blues (路边野餐) oder der Wettbewerbsbeitrag des vorigen Jahres, Crosscurrent, haben es bereits in die Kinos geschafft. Yang Cheng nutzt die Chance auf Filmfestivals seine Projekte bekannt zu machen. Nach Berlin brachte er mit Ghost in the Mountains (空山异客, Panorama) gleich noch einen zweiten Film, in Cannes warb er im Mai des Jahres für sein neues Filmprojekt Family Problems und er betont, dass er die Zusammenarbeit mit Liu Jian fortsetzen wolle.
Doch ob Have a nice Day jemals in China laufen wird, ist fraglich. Das Animationsfilmfestival Annecy hatte den Film im Juni 2017 für den Wettbewerb programmiert, musste ihn aber auf Druck Pekings hin aus dem Programm streichen. Den offiziellen Vertretern Chinas war dieser Zeichentrickfilm wohl zu realistisch geraten.

China-Animation (Berlinale 2017)