Von Berglern und Geheimagenten

Stell dir vor, du sitzt am Computer und kannst mit einem Klick der Geschichte Taiwans eine andere Richtung geben, die kleine Insel aus höchster Not retten, wie schon einmal, du musst nur den richtigen Befehl wiederholen. Was wäre wenn …? Das ist die Versuchsanordnung in der Erzählung „Virtuelles Taiwan“ von Ping Lu, die 1997 entstand. Die Autorin verknüpft historische Fakten in einem fiktiven Setting, bei zunehmender Fiebrigkeit der Hauptfigur: Was wird passieren? Welcher war der richtige Befehl? Das Kammerspiel mit historisch-utopischer Dimension beschließt den Reigen von zwölf taiwanischen Autoren, die das Buch „Von Berglern und Geheimagenten“ vorstellt.

Die geheimen Netzwerke Pekings werden schonungslos aufgedeckt

Wenn man die 345 Seiten von Markus Frenzels „China Leaks“ durchgelesen hat, schwirrt einem der Kopf: So viele Namen, Begebenheiten, zeitliche Sprünge purzeln durcheinander. Die Botschaft ist: China gleich Gefahr. Da war doch was? Wiederholt sich mal wieder die Warnung vor der gelben Gefahr? Aber – das Buch passt in unsere Zeit. Es gibt sich mitunter stimmungsvoll erzählerisch, folgt einer klaren ideologischen Agenda, und ist doch schwammig. Es passt auch deshalb in unsere Zeit, weil es vor zu viel Blauäugigkeit gegenüber China warnt. Dem großangelegten Angriff auf die Demokratie und westlichen Werte stehen auf deutscher Seite in der Tat Naivität, Profitgier, Kurzsichtigkeit und Trägheit gegenüber.

Ich singe und tröste mich mit Wein

Fasziniert blättere ich durch ein Leben im 8. Jahrhundert. Mit Li Bai lebt man in China wie hierzulande mit Goethe oder Schiller, die allerdings 1000 Jahre später wirkten. Die Zeit Li Bais war das finstere, weil zeugnisarme Mittelalter und zwar das frühe. Aus Zeiten Karl des Großen stammen erste Zeugnisse von Literatur im Althochdeutschen. Der bestieg 768 den fränkischen Thron, da war Li Bai, der Heilige der Dichtkunst schon 6 Jahre tot.

„Nur durch Erinnerungen bekommt das Leben einen Sinn, und nur im Schmerz spürt man, das man lebt.“

Die Protagonistin Banu kehrt 2017 nach Xinjiang zurück. Sie will mit eigenen Augen sehen, ob die Berichte der westlichen Medien wirklich stimmen, ob nicht alles übertrieben und Propaganda ist. Dann gerät sie in die Mühlen der chinesischen Willkür. Man folgt ihren verschlungenen Wegen, das Buch gewinnt an Spannung, denn Gülnisa Erdal beschreibt den realen Horror durch die Augen dieser nicht einfachen Figur.

Schwarzer taiwanischer Pudding

Luftig wie Wolken kommen sie in skizzenhafter Leichtigkeit daher. Ich blättere in den biji – den Pinselnotizen, begleite die Autorin in ihren Frühstücksladen zu gefüllten Teigtaschen und warmer Sojamilch, steige mit ihr die schmale Treppe hinunter in den Untergrund von Taipei, wo die Zukunftsbeamten wahrsagen. Es ist eine fragile Schönheit, von zahlreichen Geistern bevölkert und im Jetzt lebend. Sie wird bedroht von Wind, Wasser, Vulkanen und vom Festland.

Aktives Wegschauen

„Ein Volk verschwindet: Wie wir China beim Völkermord an den Uiguren zuschauen“ verbindet journalistische Recherchen, Berichte über geleakte Dokumente und öffentlich einsehbare Berichte des Uighur Tribunals in London zu der eindringlichen Aufforderung des Hinsehens.