​Im Februar 2021 nahm das Inside-Out-Kunstmuseum erstmals an der von Printed Matter organisierten Kunstbuch-Messe teil. Printed Matter ist New Yorks legendärer Buchladen und Verlag für Kunstbücher. Seit 2009 sind diese Messen ein Mekka für Kunstbuchverleger aus der ganzen Welt. Aufgrund der Pandemie fand die Messe in diesem Jahr online statt. Wir füllten unsere virtuellen Regale mit der englischsprachigen ersten Ausgabe von China as an Issue, das wir gemeinsam mit dem Berliner Verlag Archive Books herausgegeben haben.

Die Messe war eine der wenigen Gelegenheiten zum Austausch in diesem Jahr. China as an Issue besteht aus zwei vom Inside-Out-Museum herausgegebenen Bänden mit Vorträgen, Diskussionen und Forschungen, die hier seit 2018 stattfanden. Sie vereinen Stimmen von Künstlern, Kunsthistorikern, Schriftstellern, Literaturwissenschaftlern und Philosophen. Eine jeweils konkrete Fragestellung wird ausgehend von spezifisch chinesischen Erfahrungen analysiert und aus dieser Perspektive erzählt. Die Beiträge zeigen, nur wenn China selbst die Initiative ergreift und nicht bloß Gegenstand der Betrachtung ist, können wir unsere Erfahrungen, Wahrnehmungen und Wissen, aber auch Zweifel und mögliche Lösungen in eine offene Debatte einbringen. Leser aus anderen Kulturen lernen so, China besser zu verstehen und erfahren nützliche Denkanstöße ihre eigene Kultur betreffend.

2019 schlug ich Paolo Caffoni, dem Verleger von Archive Books, vor, China as an Issue gemeinsam auf Englisch herauszugeben. Archive Books publiziert Bücher von Künstlern und Denkern für eine europäische Leserschaft. Sie besitzen ein gutes Vertriebs-Netz in Europa und Nordamerika, was sie für uns zu einem perfekten Partner macht. Caffoni selbst unterrichtet Verlagswesen an der Nuova Accademia di Belle Arti in Mailand und ist außerdem ein alter Bekannter. Schon 2018, als er in unserem Museum einen Blick auf die Publikation Universality and Particularity: What is Asianness? warf, merkte er an, welch große Relevanz die Diskussion auch für ein englischsprachiges Publikum besitze. Schließlich publizierte er das Buch wenig später auf Englisch.

Als Caffoni die englischen Übersetzungen von China as an Issue – Volume 1 gelesen hatte, äußerte er Bedenken, dass Themen und Kontext der Essays für eine mit China nicht vertraute Leserschaft ungewohnt oder gar unverständlich sein könnten. Da wurde mir die Dringlichkeit, diese Texte zu übersetzen und außerhalb Chinas zu verbreiten, erst richtig bewusst. Auch unser Kontakt mit dem europäischen und amerikanischen Denken ist schließlich fragmentarisch, dennoch machen wir uns wenig Gedanken über seine Anwendbarkeit. Natürlich ist diese Akzeptanz nicht naturgegeben, sondern einer gewissen Trägheit geschuldet, die sich über einen langen Zeitraum herausgebildet hat. Das westliche Denken mit seinen dialogischen Kontexten und historischen Ursprüngen verbreitete sich im gegenseitigen Austausch, sodass die Menschen allmählich vertraut damit wurden. Vor langer Zeit haben wir stillschweigend akzeptiert, dass das westliche Denken eine Art Universalität besitzt, mit dem wir eigene blinde Flecken im Denken erkennen könnten. Den chinesischen Denkern hingegen mangelte es im Austausch mit anderen an dieser natürlichen Überlegenheit, sodass sie manchmal einfach übersehen wurden.

goetheinstitut/yi-magazin

Carol Yinghua Lu: Hier spricht China