In alphabetisch angeordneten Miniaturen über Taiwan beschreibt Alice Grünfelder Erlebtes und Recherchiertes, Fakten und Zweifel über Taiwan. Luftig wie Wolken kommen sie in skizzenhafter Leichtigkeit daher. Ich blättere in den biji – den Pinselnotizen, begleite die Autorin in ihren Frühstücksladen zu gefüllten Teigtaschen und warmer Sojamilch, steige mit ihr die schmale Treppe hinunter in den Untergrund von Taipei, wo die Zukunftsbeamten wahrsagen. Es ist eine fragile Schönheit, von zahlreichen Geistern bevölkert und im Jetzt lebend. Sie wird bedroht von Wind, Wasser, Vulkanen und vom Festland. Im letzten Satz des Buches spricht die Autorin von einer unverkrampften Demut dem Leben gegenüber, da geht es eigentlich um das Büffeln der chinesischen Zeichen. Aber vielleicht ist damit auch viel mehr gemeint. Neugierig blättere ich zum Anfang. „Wie verabschiedet man sich von einem Land, das es nicht gibt?“, steht da. Verlassen von fast allen, weil der wirtschaftliche Gewinn mehr zählt als Fakten, weil Länder dafür lieber demokratische Ideale verraten. Mir fallen die vielen Namen ein, unter denen die Republik Taiwan auf Filmfestivals firmierte, oder nehmen wir die Namen für Vertretungen des Landes, das Land scheint es mit Gelassenheit und Demut zu ertragen. Taiwan – was ist das eigentlich? Ich lese vom Glück der klingenden Müllwagen und erfahre, dass Taiwan einst eine Insel der Frauen war, trotzdem wurde das Gesetz gegen Ehebruch erst 2020 abgeschafft. Alice Grünfelder lässt uns teilhaben an ihrer Entdeckung der vielen Facetten dieses Landes, an Lektüren, Gesprächen, die sich mit ihren Erlebnissen vermengen und sich zu einem Bild zusammensetzen. Aber hat es noch Bestand und wenn ja, wie lange noch? Und was ist denn nun schwarzer taiwanischer Pudding?
Ich möchte das Buch in den Rucksack packen und losfliegen, endlich nach Taiwan. Das Buch lesen ist toll, eine Einladung auf seinen Spuren eigene Entdeckungen zu machen. Es macht Lust auf mehr.
Alice Grünfelder: Wolken über Taiwan. Notizen aus einem bedrohten Land, 264 Seiten, Rotpunktverlag 2022, € 28.