Ling Long 1934  © Columbia Univesity Libraries
Ling Long 1934 © Columbia Univesity Libraries

Es ist schon der dritte Tag, seit wir nach Suzhou gekommen sind, um Außenaufnahmen für den Film Good Harvest 丰年 zu drehen. Das Boot liegt an der Dian-Brücke, weil wir im Morgengrauen zum Dreh nach Jinshanbang (金山浜), an einen der zahlreichen Kanäle und Wasserarme in Suzhou, wollen. Alle schlüpften früh unter die Decke, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Also unterhielten wir uns, bis schließlich die Rede auf Geister kam. „Hier an der Brücke wurde schon einmal gedreht, das war im Juni. Es war heiß und gab unendlich viele Mücken. Einer der Schauspieler konnte nicht schlafen und kletterte ans Ufer um sich abzukühlen. Und als er da so ging und den Mond betrachtete, hörte er plötzlich eine Stimme. Jemand schien zu sprechen, doch er konnte niemanden sehen. Sein Herz pochte, je mehr er nachdachte, desto größer wurde seine Furcht. Er versuchte, sich zu beruhigen und lenkte seine Schritte zurück. Wieder auf dem Boot konnte er erst recht nicht einschlafen und hoffte, dass es kein Geist war. Vorsichtig schaute er aus dem Fenster zum Ufer hin. Mit Entsetzen sah er, dass jemand in grünem Umhang und einer Kappe mit roten Troddeln neben einem Baum saß. Hier gibt es also wirklich Geister, das könnt ihr glauben. Am anderen Tag fragte der Mann ein paar Einheimische, die ihm erzählten, dass dieser Geist sich oft zeige und sich dabei verwandeln könne.“ Als Zhu Shaoquan (朱少泉) geendet hatte, fragte er mich, ob ich Angst hätte.
„Ich doch nicht, ich glaube überhaupt nicht an Geister.“
„Fräulein Ai, du fürchtest dich nicht, aber ich habe wirklich Angst.“ Alle wussten, dass Liu Jinyu (柳金玉) sich vor Geistern fürchtete und erzählten umso eifriger von Leichen, dem weißen Höllenfürsten, Geistern von Selbstmördern, die einen neuen Körper suchten… Als wir damit durch waren, war es auch schon spät und wir überließen uns dem Schlaf.
„Plop“ machte es nebenan und ich schreckte aus dem Traum auf. Dann hörte ich Fräulein Liu mit sich selbst sprechen, aber verstand nicht, was sie sagte und schlief wieder ein. Am nächsten Tag fragte ich sie und erfuhr, dass es jedes Mal „plop“ machte, wenn ihre Eltern aus dem Bett fielen und dass ein Geist sie schubste.
Gekämmt und frisch angezogen fuhr unsere Truppe nach Jinshanbang.
Jinshanbang war ein riesengroßer Steinbruch, wenn die Sonne darauf schien, glänzten die Steine goldgelb und silbern, am Fuße des Berges gab es dunkelgrünes Flüsschen, einfach herrlich. Die Arbeiter hoben ihre stählernen Hacken und lösten den Stein, wobei ein regelmäßiges und imposantes ding – dang – ding – dang erklang.
Die Frauen kamen und gingen, sie transportierten die Steine ab. Sie füllten den Korb mit Steinen und brachten sie zum Xiajiabang oder zum Nanbang, das waren mehr als drei Li (ca. 1,5 km). Eine Last wog 60 Pfund und pro Korb bekamen sie zwei Kupfermünzen, das macht am Tag höchstens eine 20 Cent-Silbermünze.
Als die Kamera eingerichtet war, mischte ich mich mit Fräulein Gao (高倩苹) unter die Frauen und wir sammelten Steine. Obwohl sie schwer waren, war ich glücklich und von einer unaussprechlichen Freude erfüllt. Vielleicht, weil ich das gleiche schaffte, wie die anderen auch. Es wird gesprengt! – Keiner wusste, woher die Nachricht kam, aber wir machten es wie die Arbeiter und eilten zur Seite. Nur den Regisseur Li Pingqian (李萍倩) schien das nicht zu kümmern, er blieb, wo er war. Während der Explosion dann hörten wir alle auf zu arbeiten, es war auch schon Mittag. Da kam auch das Essen, alle hockten sich hin und aßen gierig. Als wir satt waren, war noch immer kein Wasser da, so ruhten wir aus, bis wir endlich trinken konnten.
Während der Pause hoffte ich ein bisschen zu schlafen, aber man kann ja nicht alles haben. Müde unterhielten wir uns. Da war eine Händlerin, mit verschiedensten Snacks, die unserer Truppe überall hin folgte. In Shanghai mochte ich solche Snacks überhaupt nicht, aber hier, auch nach dem Essen knabberte ich ständig irgendwas: frische Birnen, Teeeier, Neujahrskuchen … merkwürdig! Dieser Bauch gewöhnt sich an alles. Aber am meisten konnte der Regisseur mit dem kleinen Schnurrbart essen. Und am Vornehmsten dabei war Mei Xi (梅熹), von dem alle sagten er sei ein zweiter Jin Yan. Nur ich sagte, dass das überhaupt nicht stimme.
Irgendwie erinnere ich, dass wir wenig geschlafen und viel gegessen haben. Haha, ich habe mich wohl in ein Fressmonster verwandelt.
Die Arbeit hatte wieder begonnen, die erste Stunde klopfte Mei Xi Steine. Er stand, mit einem Seil gesichert, auf dem Gipfel des Berges auf einem Holzgestell, die Kamera schwenkte nach oben, hinter ihm nur der Himmel und dann zog eine weiße Wolke vorüber. Regisseur Li nannte das eine sowjetrussische Einstellung und lächelte zufrieden. Bis Sonnenuntergang drehten wir weiter. Erst dann kehrten wir zur Dian-Brücke zurück.
Wieder ging ein Tag zu Ende und wir bereiteten uns auf die letzte Schlacht mit den Kämpfern der Lüfte, den Mücken, vor, bis wir schließlich unsere „drei Sterne-Nebelgranaten“ zündeten, um sie mit dem Zigarettenrauch zu vertreiben.

(aus Golden City Monthly 金城月刊 1.2.1934)

Ai Xia: Drehtagebuch Jinshanbang
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