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Trailer 长江图

Filmische Entdeckungen auf der Berlinale waren immer den kleineren Sektionen des Festivals vorbehalten. Doch in diesem Jahr war das anders: Einziger Wettbewerbsbeitrag aus China war der poetische, ja surreale Film Crosscurrent (长江图), der die Geschichte vom Wandel Chinas in einer einzigen Flussfahrt und atemberaubend schönen Bildern erzählt. In einem eher mainstreamorientierten Wettbewerb wirkte dieser Film ein wenig verloren, fast sperrig und dafür gebührt dem Mut der Auswahljury Lob.

Ausgangspunkt des Films ist der Yangtse, weil er einen so gewaltigen Einfluss auf das Land und die Menschen hier hat. Zugleich ist der Film die Liebesgeschichte eines Paares, das sich über viele Jahre immer wieder begegnet, sei es real oder nicht.“ Der Regisseur Yang Chao (杨超) hatte bereits im Jahr 2006 auf einer Flussfahrt die Idee, einen Film über den Yangtse, der in China Changjiang (长江) – Langer Fluss genannt wird, zu drehen. 2009 schließlich schrieb er das Drehbuch, danach dauerte es nochmals einige Jahre bis 2012 die Dreharbeiten stattfanden und der Film 2015 fertiggestellt wurde. „Alle großen Dichter haben den Yangtse besungen und wurden von ihm inspiriert. Sie betrachten ihn als Strom der Zeit. Das war der Ausgangspunkt meiner eigenen Überlegungen. Ich wollte seine vielen Rätsel oder Wunder zeigen.“

Der Film erzählt die Geschichte von Gao Chun (Qin Hao 秦昊), der das Frachtschiff seines Vaters übernommen hat, mit dem er von der Mündung des Changjiang in Shanghai bis zu seiner Quelle stromaufwärts fährt. Was das Schiff dabei transportiert bleibt im Vagen, der Transport der Ware ist ein krummes Geschäft. Doch in dem Film geht es nicht um das, was transportiert wird, sondern höchstens die Frage, wie damit umgegangen wird. Eine Fahrt wie im Traum durch Raum und Zeit, links und rechts die diesigen Ufer des Flusses, als Kompass dienen Gedichte, die Gao Chun in einer Kiste auf dem Schiff entdeckt hat, poetische Orientierungspunkte.

Jeder Haltepunkt hat seine Geschichte, immer wieder begegnet Gao Chun einer geheimnisvollen Frau (Xin Zhilei 辛芷蕾) , die er sucht in den verlassenen Dörfern am Ufer des Flusses, in der Pagode, in der die Stimme Buddhas aus allen Richtungen erklingt, die ihm Legenden erzählt, der er bis zur Quelle folgt, denn sie ist auch die Verkörperung dieses Flusses, dessen Geheimnisse Gao Chun entdeckt.

Für den Film konnte Yang Chao den langjährigen Kameramann Hou Hsiao-hsiens Mark Lee (李屏宾) gewinnen. „Als ich in Beijing drehte, kam Yang Chao ein paar Mal in meinem Hotel vorbei und wir haben über Film geredet. Darüber, wie man den Fluss filmt, damit er wie eine klassische Tuschmalerei aussieht. Das war auch für mich eine Herausforderung, und es war der Moment, wo ich zugesagt habe.“ Lee ist bekannt dafür, in den Filmen Hou Hsiao-hsiens mit teilweise spärlichen natürlichen Lichtquellen zu experimentieren. Das tat er auch in Crosscurrent, um den natürlichen Zauber des Flusses einzufangen. Außerdem meint er, mehr künstliches Licht bringe nur mehr Probleme mit sich. Da die digitale Technik zur Zeit des Filmdrehs noch nicht so weit entwickelt war, dass die Auflösung für die Kinoleinwand genügt hätte, der damalige Standard war 2K, entschied Mark Lee auf 35 mm zu drehen. Das gebiete der Respekt vor dem Fluss. Der Zuschauer mag sich in der rätselhaften Geschichte dieser Flussfahrt verlieren, denn sie ist zugleich eine poetisch-kritische Reflexion über die Veränderung entlang des Flusses. Die wunderschönen Bilder, meist im Nebel, diffus und grobkörnig halten ihn auf Kurs. Völlig zurecht erhielt der Film schließlich den Silbernen Bären für die beste Kamera.

Gegen den Strom (Berlinale 2016)