China – das Land der ungeahnten Möglichkeiten, China, der unersättliche Absatzmarkt: aber wie verhält sich dieser Markt und wie positioniere ich mich dort geschickt, um noch ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen? China ist zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen und die Wirtschaft des Landes wächst weiter. China hat aus den Wirtschaftskrisen gelernt und stellt in seinem zwölften Fünfjahresplan (2011 – 2016) die Umgestaltung seiner bislang exportorientierten Wirtschaft auf eine konsumorientierte in den Mittelpunkt, weg vom Billigimage Made in China zu Designed in China. Schwerpunkt bildet dabei die Ankurbelung des Binnenkonsums verbunden mit dem Ausbau der Go-West-Strategie, also der sukzessiven Erschließung des chinesischen Hinterlandes. Gleichzeitig soll eine Hightech-Nation, in der umweltfreundliche und energiesparende Zukunftstechnologien die Hauptrolle spielen, aufgebaut werden. In diesem Wandel liegen riesige Chancen für westliche Wirtschaftsunternehmen, die erkannt, differenziert erschlossen und genutzt werden wollen.
Anders als in dem in dnC 3/2012 besprochenen Buch von Yu Zhang „Die China-Strategie liegt der Schwerpunkt hier nicht darauf, wie mein chinesisches Gegenüber tickt, sondern auf der Vorbereitung des China-Engagements, seiner Absicherung und auf der dafür notwendigen Marktanalyse. Das Buch ist Wegweiser durch den Marktdschungel und gibt wertvolle Hinweise für vertiefende Recherchen.
Nach einer ausführlichen Analyse der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation Chinas widmet sich das zweite Kapitel, B2C, den neuen Konsumentenschichten. Den chinesischen Konsumenten gibt es nicht, sondern der Markt ist sehr heterogen, regional unterschiedlich, sowie aus unterschiedlichen Konsumentenschichten zusammengesetztund die verändern sich schnell. „Starre demografische Segmentierungsansätze sind in China oft nicht zielführend. In den im Übergang befindlichen sich schnell entwickelnden Märkten im Osten und im Süden des Landes entstehen aus der Masse völlig neue Konsumentengruppen, die oft nur noch mithilfe psychografischer und ethnografischer Methoden zu erfassen sind.“ (S.38) Basisgruppen werden schematisch in Kragenfarben – Collar-Typen unterteilt, von der Landbevölkerung, den Brown Collars über die Grey Collars – die städtischen Massen, Blue und White, Gold Collars bis Silver – Senioren und Pink Collars – Chinas starke Frauen, Black Collars, den neuen Männern, den umweltbewussten Geen Colors zu Colourful Collars. Doch taucht dann mitten im Kapitel doch die Einsicht auf, dass man „im Reich der Mitte nicht zu tief nach Konsumentenprofilen forschen [darf], die es gar nicht gibt – man muss sie erschaffen. In China werden Märkte nicht gesucht, sondern gemacht.“ (S.59)
Die chinesischen Wachstumsbranchen und Pläne des chinesischen Staates für den infrastrukturellen Ausbau werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt und durch Grafiken und Tabellen veranschaulicht. Um die Veränderungen in diesen Sektoren zu zeigen sind z.B. für die Public Private Partnerships PPP relevante Dokumente der Regierung seit dem Jahr 1995 aufgelistet. Aber die Autoren machen deutlich, dass es nicht genügt, nur die neuesten Entwicklungstendenzen zu verfolgen, sondern dass auch in diesen Bereichen persönliche Beziehungen eine entscheidende Rolle spielen.
In Kapitel 5 endlich geht es um das geistige Eigentum und seinen Schutz. Schon der Untertitel des Buches weist verkaufsfördernd darauf hin un im Vorwort wird Wen Jiabao mit den Worten zitiert: „Competition in the future is IP (intellectual property) competition.“ Der Wettbewerb hat schon begonnen und viele Firmen im Chinageschäft wurden bereits mit dem Fakt des Ideenklaus konfrontiert. Da in China und Deutschland ganz andere Vorstellungen zum Schutz des geistigen Eigentums herrschen, hilft Geschrei nicht viel. Das vermitteln zumindest die Autoren. Das Kopieren und Auskundschaften sei fest in der chinesischen Kultur verankert. Aber auf dem Weg zu einem Land der Innovationen wird auch in China das geistige Eigentum eine immer größere Rolle spielen. Deshalb gilt das Augenmerk jetzt der Entwicklung des IP Business, eines Marktes für geistiges Eigetum, was wie jede andere Ware gehandelt wird. Zum Beispiel können sich westliche Unternehmen durch Lizensverkauf Marktvorteile mit relativ geringem Risiko verschaffen. Die Richtlinien zum Schutz geistigen Eigentums werden ausgebaut und lassen Nachahmern und Produktpiraten immer geringere Spielräume. Um gegen Produktpiraterie und Industriespionage vorzugehen, sollten westliche Unternehmen nicht nur auf Einzelfälle reagieren, sondern ihr geistiges Eigentum „durch ein strategisch untermauertes intelligentes System wirkungsvoller und nachhaltiger Maßnahmen, die frühzeitig greifen“, schützen. Was zu diesen Maßnahmen gehört und dass die Kosten dafür in mittelständischen Unternehmen sechsstellig sind, wird auf den folgenden Seiten beschrieben.
Die Autoren des Buches sind Unternehmensberater bei Chinabrand Consulting. Sie beraten Unternehmen, die bereits über Chinaerfahrung verfügen, bei anspruchsvollen Aufgaben in Bezug auf Markt, Wettbewerb und geistiges Eigentum. Sie sehen in der zukünftigen Entwicklung der chinesischen Wirtschaft sowohl Chancen als auch Risiken, ohne dabei in nur allzu bekannte Klischees vom bösen China und dem guten Westen zu verfallen. Ein unabdingbares Buch, wenn auch das Titelbild ästhetisch abschrecken mag. Da sehen wir Soldaten der Terrakottaarmee bewaffnet mit bunten Einkaufstüten. Dieses platte Bild hat das Buch eigentlich nicht verdient. Es wird gezeigt, dass es nicht einfach ist, China zu verstehen. Man braucht fundiertes Wissen gepaart mit Kreativität, um die neuen Chancen in China zu nutzen. Doch dazu bräuchte manches deutsche Unternehmen auch einen Schuss mehr Flexibilität.
Hans Joachim Fuchs, Mingming Du, Alexander Gangnus, Liyuan Wang: Neue Chancen in China. Mit den aufstrebenden Märkten wachsen, aber geistiges Eigentum schützen. Finanzbuchverlag München 2012, 390 S., € 34,99.
in: dnC 4/2012