Durch die Filmkunstkinosäle unserer Republik tourt seit ein paar Wochen der Dokumentarfilm Beijing Bubbles. Die Filmemacher Susanne Messmer und George Lindt lassen uns an ihren Erkundungen der alternativen Musikszene Beijings teilhaben.
„Als wir Anfang 2004 noch wenig über Punk und Rock in Peking wussten und mit unseren Recherchen begannen, da hätten wir nie geglaubt, dass man mit nur wenigen Wochen Drehzeit so weit kommen kann.“
Der Film ist offensichtlich auch Auftakt für Fly Fast Records, ein Musiklabel, dass sich ab April 2007 Punk und Rock aus Asien widmen will. Hier ist nicht nur der Soundtrack des Films, sondern sind auch CDs der auftretenden Bands erhältlich (www.fly-fast-records.com). Aber zurück zum Film: Messmer und Lindt begleiten fünf Bands durch die Stadt. Sie lassen sich treiben, vom Lebensrhythmus der Musiker, der Atmosphäre einer Stadt abseits von Touristenattraktionen und spiegelglänzenden Hochhausfassaden. Sie folgen den Musikern nach Hause oder zu deren Eltern, zu Proben und in Restaurants. Dabei fangen sie Statements einer orientierungslosen Musikergeneration ein. Einer Generation, die, wie es ein Miglied der Neuen Hosen (Xin kuzi) formuliert, nicht erwachsen werden will. Gleich am Anfang des Films sinniert Bian Yuan, Sänger der Band Joyside über die Menschen, und dass diese seltsam seien, aber die meisten seltsamen Menschen gebe es wohl in China. Dann kichert er und dieses naive, unbeholfene Kichern durchschneidet immer wieder den Film und hat sich in meiner Erinnerung festgesetzt. Übrigens ist der zweite Teil der Überschrift ebenfalls ein Eins A-Bian Yuan-Zitat.
Die Hintergründe der vorgestellten Bands sind sehr verschieden: so ist Shazi (Sand) von Blues-und Folkmusik beeinflusst, Joyside und die Mädchenband Hang on the Box fühlen sich dem Punk verschrieben, T9 und Yiliqi, Sänger der Band, experimentiert mit traditioneller mongolischer Musik und Obertongesang, bei Xin Kuzi (Die neuen Hosen) reichen die Einflüsse von den Ramones bis zu Kraftwerk.
Sie alle aber eint, dass sie sich in kein bürgerliches Lebensschema pressen lassen wollen oder wie es Liu Donghong von Shazi formuliert: „Ich will kein Teil dieser Gesellschaft sein“. Unterstützt werden sie dabei von verständnisvollen Eltern, die es ihnen ermöglichen, diesen Traum vom Anderssein, vom Musikmachen zu leben.
Ausgeblendet ist leider wie repräsentativ diese Leute für China sind, wie ihre Musik aufgenommen wird, wie sich ihre Platten verkaufen.
Nun war ich zwar sehr froh, endlich wieder ein Film über die alternative Musikszene Beijings seit Zhang Yuans Beijing Bastards von 1993 zu sehen. Doch meine Begeisterung nach dem Kinobesuch hielt sich in Grenzen. Zu viele Fragen bleiben offen. Der Film folgt keiner erkennbaren Dramaturgie. Was er dadurch gewinnen kann sind Spontaneität und Frische, doch fühlt sich das Ganze für mich ein bisschen an, wie das Betrachten unbearbeiteter Urlaubsvideos. Man glaubt, den Filmemachern die gleiche Orientierungslosigkeit anzumerken, wie ihren Protagonisten. Betrachtet man jedoch mehr Filme des neuen Jahrtausends wird auch deutlich, dass genau jenes unprätenziöse Einfangen von Realität zum ästhetischen Kanon einer neuen, jungen Generation von Filmemachern gehört. So zeigt der Film wohl bewusst einen sehr subjektiven Ausschnitt, ein sehr persönliches Bild einer ersten Begegnung mit China. In seinem unbefangenen naiven Blick, lässt er mich jedoch etwas ratlos zurück.
(dnC 2/2007)