
Gründe dafür, warum Frauen zum Film gingen, gab es viele: Sie wurden auf der Straße entdeckt, spielten vor, kamen vom Theater, oder die Armut zwang sie, Geld zu verdienen. Das Medium war immer auch Mittel auf dem Weg zur Emanzipation. Und die Frauen rannten in den Filmstudios offene Türen ein. Denn die waren, kaum war der Film den Kinderschuhen entwachsen, versessen auf erstklassige Darstellerinnen mit Starappeal. Das hatte einerseits gesellschaftliche Gründe, da im Zuge der 4. Mai-Bewegung Reformen eingeleitet wurden und die Stellung der Frau sich änderte, andererseits spielten kommerzielle Überlegungen der Studios eine Rolle: Zuschauerinnen würden voller Stolz, Freude oder Hoffnungen auf die Filme blicken und die Männer könnten den Anblick schöner Frauen auf der Leinwand genießen.
Es gab zu Beginn der 1920er Jahre viele, meist kurzlebige Versuche Filmschulen zu etablieren: So baute zum Beispiel die Mingxing Filmgesellschaft bei ihrer Gründung 1922 auch gleich Ausbildungsklassen für Filmschauspieler mit auf. Die 1924 gegründete China Film School (中华电影学校) gilt als die erste „richtige“ Schule für Filmschauspieler. Sie befand sich in der Avenue Edouard VII (heute 延安东路) in Shanghai und wurde von Zeng Huantang (曾焕堂), dem Manager des Shanghai Theatre (上海大戏院) geleitet. Es gab 2000 Bewerbungen, darunter auch die der späteren Filmkönigin Hu Die (胡蝶), die auch unter ihrem englischen Namen Butterfly Wu bekannt werden sollte. Sie sah als 16-jährige zufällig die Anzeige und bewarb sich mit Erfolg. An der Schule unterrichteten namhafte Künstler und die Studiengebühren waren niedrig. Das Ausbildungsprogramm dauerte 6 Monate, in denen Schauspiel, Theatergeschichte, Regie und Schreiben unterrichtet wurde. Da die Studenten und Dozenten am Tag meist arbeiteten, fanden die Kurse am Abend statt. Hu Die erinnerte sich später, dass sie reiten und Autofahren lernte. Nach einem Semester musste auch diese Schule aufgrund finanzieller und administrativer Schwierigkeiten schließen.

Die 1920er Jahre waren die Hochzeit der Martial Arts-Filme und mit ihnen erblühte das Subgenre mit den fliegenden kämpfenden Frauen, die so gar nicht dem Frauenbild der konfuzianischen Tradition entsprachen. Die Schwertkämpferinnen können somit durchaus als Wegbereiter eines neuen Frauenbildes gelten, auch wenn die Martial Arts-Filme von den Intellektuellen der 4. Mai-Bewegung und der späteren Filmgeschichte für ihren Aberglauben kritisiert und verdammt wurden. Da sich die Darstellerinnen dieser Filme auch äußerlich von ihren Kolleginnen in anderen Filmen unterschieden, sprach man hier oft von den Heldinnen mit Kopfbedeckung (巾帼英雄).

Höhepunkt dieser Martial Arts-Filme und Mythos der chinesischen Filmgeschichte ist „The Burning of the Red Lotus Temple“ (火烧红莲寺). Ab 1928 entstanden innerhalb von vier Jahren 18 Folgen des Films mit einer Gesamtlaufzeit von 27 Stunden. Der Film ist, abgesehen von einem Fragment, nicht erhalten. Ab der 2. Folge spielte Hu Die neben Xia Peizhen die Rolle der Honggu, wobei sie vom manchmal harten Training an der China Film School profitieren konnte. Der Rest war learning by doing.
In ihren 1986 erschienenen Erinnerungen schreibt sie: „Für die Zuschauer sah [das Fliegen] elegant und natürlich aus. Sie wussten nicht, dass ich bei jedem Mal Schweißausbrüche bekam und mein Kostüm ganz durchgeschwitzt war. Wenn ich aus dem Studio kam, musste ich mich erst einmal setzen, um mich zu beruhigen. Heute sind die technischen Möglichkeiten viel größer und man kann vieles durch Doubles, Filmtricks, Licht und Kameraführung besser machen. Aber in den 20er und 30er Jahren war das noch ziemlich schwierig umzusetzen. Und wenn ich heute erzähle, wie es wirklich war, finden die Leser das sicherlich naiv und lächerlich. Das Fliegen, was die Zuschauer damals sahen, macht mir, ehrlich gesagt, heute noch Angst. Der „fliegende“ Schauspieler hing an einem Stahlseil mehr als 30 Meter über dem Boden, dann wurde ihm gegenüber ein großer Ventilator installiert, der dafür sorgte, dass sein Kostüm flatterte. Beim Dreh wurde vor das Objektiv eine Gaze gespannt, so dass die Aufnahme verschwommen und weichgezeichnet wirkte. Man fügte vorher aufgenommene Hintergründe, wie Bergklöster und Wälder hinzu, so dass der Eindruck entstand, der Schauspieler fliege wirklich. Der in der Luft hängende Schauspieler wurde von dem Seil, was an der Hüfte befestigt und durch das Kostüm verdeckt war, gehalten. An der Studiodecke waren Rollen befestigt und wenn hinten an dem Seil gezogen wurde, stieg der Schauspieler in die Lüfte auf. Wenn man bedenkt, dass das Leben eines Schauspielers an diesem Seil hing, wie sollte man da nicht nervös werden? Nach außen musste alles leicht und natürlich wirken. Zwar machte man damals Stummfilme, aber hätte ein Schauspieler den Mund aufgemacht, wäre die innere Angst wohl nicht zu verbergen gewesen.“