Reisen, zumal das Reisen in ferne Länder, war Mitte des vorigen Jahrhunderts noch nicht so normal und billig wie heute. Meist war es auserwählten Kreisen vorbehalten. Bereits in den 1950er Jahren entwickelte die junge DDR ein reges Interesse an China. Es war eine der jungen Volksdemokratien, die zwar fern war, aber auf der richtigen Seite stand und somit ideologisch doch ganz nah war. Schon 1950 nahmen die DDR und die VR China diplomatische Beziehungen auf, ein Freundschaftsvertrag und ein Kulturabkommen sollten folgen. Offizielle Delegationen, Schriftsteller und bildende Künstler bereisten das Reich der Mitte und immer wieder waren auch Filmleute mit von der Partie. Ihre Ausbeute aber war weniger sichtbar, da nicht aus jeder Idee ein Film wurde und die wenigen realisierten Filme, oft dem propagandistischen Zeitgeist verpflichtet, längst im Archiv verstauben. Zwei Bücher jener Zeit zeigen jedoch ihre Spuren. Im Gegensatz zu einem Film waren Bücher schneller und preiswerter in der Produktion. Was vielleicht nicht jeder Reisende aus der DDR besaß, nämlich Farbfilmmaterial, darüber verfügten die beiden Regisseure, deren Fotos die hier vorgestellten Bücher illustrierten.

Einer der ersten, die sich in das Chinaabenteuer warfen, war Kurt Maetzig (1911 – 2012). Der Mitbegründer der Defa reiste gleich zweimal, nämlich 1951 und 1956 nach China. Auf der ersten Reise ist er Mitglied einer Kultur-Delegation, die der feierlichen Unterzeichnung des Kulturabkommens zwischen der DDR und der Volksrepublik in Peking beiwohnt. Seine zweite Reise leitete Verhandlungen zum ersten gemeinschaftlichen Dokumentarfilmprojekt der DDR und der VR China ein.

1951, am Vorabend des 2. Jahrestages der Gründung der VR China wurde die DDR-Delegation von Mao Zedong empfangen und in diesen Oktobertagen fand eine Konferenz der Schriftsteller und Künstler statt. Deshalb ist auch Kuba (Kurt Barthel) da. 1954 erschienen im Verlag Neues Leben seine Reiseeindrücke unter dem Titel Osten erglüht. Darin gibt es 32 Farbfotos von Kurt Maetzig, ergänzt von 32 Schwarzweißaufnahmen, die die Botschaft der Volksrepublik China zur Verfügung gestellt hat. Dieses Buch war für die meisten wahrscheinlich die erste Begegnung mit dem Reich der Mitte. Mögen die Informationen aus erster Hand in ihrer Mischung aus Reiseleiterprosa, Beobachtungen und Gesprächen in wörtlicher Rede uns heute etwas hölzern daherkommen, sind sie ganz dem Duktus der Zeit verpflichtet. Es war ein Auftakt: Das Neue hat über das Alte gesiegt. Warum sollen sich nicht in ein paar Jahren alle Menschen ein Bild von diesem China machen können? Die Bilder dazu, typische Reisefotos: Menschen, Reisanbau, Tempel, Stadtansichten einer längst vergangenen Epoche. Mehr der Propaganda verpflichtet sind die ergänzenden Aufnahmen, die China selbst beisteuerte. Sie zeigen den Aufbau, die werktätigen Massen, Staudämme, neue Siedlungen, eifrige Schüler.

Das zweite Buch erschien sieben Jahre später, 1961, und es ist kein Reisebericht mit Bildern, sondern erzählt die Geschichte einer Reise zu den Miao, einer nationalen Minderheit, die in Guizhou, im Südwesten Chinas lebt. Alex Wedding erzählt vom Alltag dieser Menschen und da es ein Kinderbuch ist, stehen Kinder im Mittelpunkt. Sie geben dem Buch seinen Titel Schatz der Erde und Weißer Schnee, die Kinder jener Familie, bei denen sie und der Filmemacher Joop Huisken (1901 – 1979) Aufnahme finden. Ob Alex Wedding den Blick aus dem Fenster, das Drachenbootrennen oder die harte Erntearbeit schildert, Huisken fängt alles in Bildern ein. Hier kann er sein Credo verwirklichen, den Menschen nahe zu sein. Wie er das auch in seinen Filmen stets versucht, der Mensch soll im Mittelpunkt stehen; oder hier das Geschwisterpaar, über das erzählt wird und von dem aus er Bilder findet. So entsteht ein sehr persönliches Reiseportrait, frei von Propaganda. Und weil diese Fotos zwar wunderbar das Leben im Dorf Drachenzahn wiederspiegeln, aber optisch nicht so richtig kindgerecht sind, durfte Werner Klemke noch Illustrationen hinzufügen (siehe den wunderbaren Einband).

Alex Wedding hatte an der Seite ihres Mannes, des ersten Botschafters der Tschechoslowakei und Schriftstellers F.C.Weiskopf 1950/51 in China gelebt. Damals war der Wunsch entstanden, zu den Miao zu fahren. Als Joop Huisken, nach seinem erfolgreichen Dokumentarfilm China – Land zwischen gestern und morgen die erste deutsch-chinesische Koproduktion vorbereitete, sollte Alex Wedding ihm das Drehbuch schreiben. Gemeinsam recherchierten sie in China 1958 für den Film. Das Dokumentarfilmprojekt scheiterte schließlich. Was blieb, war der Bericht dieser gemeinsamen Reise nach Guizhou zu den Miao.

Ein Buch ist leichter als ein Film. Zwei Filmemacher fotografieren China
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